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Das Spiel nach dem Spiel: Traditionen und Bräuche im Amateurfußball

Thema: Hobby

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Der Dritte Halbzeit gehört die Krone


Wer glaubt, nach 90 Minuten sei beim Amateurfußball alles vorbei, der irrt gewaltig. Da rückt erst das eigentliche Herzstück des Spieltages in den Fokus: die sogenannte dritte Halbzeit. Hier werden Siege gefeiert, Niederlagen betrauert und Unentschieden… naja, irgendwie auch kommentiert. In Sportheimen und Kneipen entwickelt sich eine ungeahnte Dynamik, bei der der Schweiß der Anstrengung bald vom Geruch hopfenbetonter Getränke überlagert wird. Man kommt zusammen, es wird auf die Tische geklopft, gesungen und auch mal eine Runde für die tapfer kämpfenden Gegner geschmissen. In dieser geselligen Runde werden die eigentlichen Taktikbesprechungen geführt, Trainerentscheidungen bewertet und die legendären 'hätte, wäre, wenn'-Analysen vollzogen. Die dritte Halbzeit ist eben nicht nur Tradition, sie ist Kultur, sie ist die gelebte Fußballliebe nach dem Abpfiff.

Ein Schuh muss leben!


Mit dem finalen Pfiff auf dem Platz erwacht vielerorts ein beinahe ritueller Akt zum Leben: Das Bier aus dem Schuh. Ob als Mutprobe für den Torschützenkönig, als Willkommensgruß für die Neulinge im Team oder als Wettschuld – der Schuh dient nicht nur als sportliches Equipment, er wird mitunter zum Trinkgefäß einer ziemlich fragwürdigen Zeremonie. Nicht zu vergessen, dass ein solcher Schuh oft mehr gelaufen ist, als manche Autos. Geschmacklich bleibt dies ein wohl ewiges Rätsel (und vielleicht ist das auch gut so), aber an diesem Brauch halten Amateurkicker mit erstaunlicher Hartnäckigkeit fest. Denn es geht hier weniger um Geschmack als um Zusammengehörigkeit und ein bisschen auch um die Hoffnung, dass die Glückssekrete des Grüns (und nicht die der letzten Fünfzehn-Meter-Schlitterpartie an der Eckfahne) den Weg ins nächste Spiel finden.

Grillen – Der kulinarische Pass in die Herzen


Was wäre ein Amateurfußball-Sonntag ohne den Geruch von frisch Gegrilltem, der durch die Tribünenreihen zieht? Das Grillen ist ein Eckpfeiler der Fußballbräuche und eine Institution für sich. Hier können sich die Fans, die eben noch wild gestikulierend Linienrichterentscheidungen kommentiert haben, beim Würstchen-Drehen wieder vertragen. Es geht eben nichts über eine gut durchgebratene Bratwurst oder ein saftiges Steak vom Grill. Die Würste können brenzlig sein, aber am Ende bleiben sie weniger umstritten als Abseitsentscheidungen. Und was auf den Rost kommt, entscheidet manchmal nicht nur über das kulinarische Wohl, sondern auch über das Ansehen in der Fußballgemeinde. Wer sich am Grill als Sternekoch entpuppt, darf vielleicht beim nächsten Mal das Taktikboard führen.

Lokale Derbys – Wenn das ganze Dorf den Atem anhält


Besondere Traditionen erleben ihren Höhepunkt, wenn es zum Lokalderby kommt. Hier trifft man auf die vertrauten Rivalitäten, gewürzt mit einem Hauch Dorftratsch und einem Schuss Lokalpatriotismus. Schon Tage vor dem Match beginnt die psychologische Kriegsführung, plötzlich haben die Stammtische wichtigeres zu besprechen als Weltpolitik oder das Wetter. Jeder Fehlpass, jedes Foul und jeder Torjubel wird zur Legende stilisiert und fest im kollektiven Gedächtnis des Dorfes verankert. Diese Spiele sind nicht nur Fußball, sie sind das soziale Highlight des Jahres, bei dem auch Oma Ernas Pfefferminzbonbons zum Einsatz kommen – zur Beruhigung der Nerven natürlich.

Der Platzwart – Hüter der heiligen Grünfläche


Er darf in keinem gut sortierten Amateurfußballklub fehlen: der Platzwart. Diese Seele des Vereins kennt jeden Grashalm namentlich und verteidigt ihn auch gegen übermotivierte Stürmer oder den unvermeidlichen Herbstregen. Das vielleicht skurrilste und zugleich ehrenvollste Schauspiel im Amateurfußball bietet sich, wenn der Platzwart seinen Rasen gegen die heranrückenden Unwetterfronten beschützt. Mit Gabel, Harke und rollender Maschinerie zieht er in den Kampf. Man munkelt, einige Platzwarte haben in ihrem Schuppen mehr Gerätschaften als NASA-Ingenieure.

Das Spiel lebt weiter – Auf Geschichtenerzähler und Archivare


Schließlich wäre da noch der unverzichtbare, meist selbsternannte Archivar des Klubs. Dieser Historiker des Amateurfußballs hält die glorreichen Siege, peinlichen Niederlagen und die grandiosen Anekdoten am Leben. Sein Material: ein alter, verbeulter Ordner und ein Stapel verblasster Zeitungsausschnitte. Kein Detail ist zu klein, kein Spieler zu unbedeutend, um nicht Eingang in seine Annalen zu finden. Das Gedächtnis des Klubs ist er und wie ein Bardenchor singt er die Geschichten vergangener Tage – auch wenn es manchmal heißt: "Damals, als der Ball noch aus Leder war und die Tore ohne Netz..."

Jeder dieser Bräuche trägt auf seine Weise dazu bei, dass der Amateurfußball mehr ist als nur ein Spiel. Er ist ein integraler Teil unseres kulturellen Erbes, ein Netz aus Geschichten und Charakteren, das sich weit über den grünen Rasen hinaus erstreckt. Und wenn beim nächsten Mal der Schiedsrichter die Pfeife zum letzten Mal ansetzt, denkt daran: Das Spiel ist nicht vorbei. Das Spiel nach dem Spiel beginnt.
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