Von Glam Rock zu Hair Metal: Die visuelle und musikalische Transformation der 80er
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Ein nicht ganz so leiser Anfang: Die Geburtsstunde des Glam Rock
Es war einmal, in den wildesten Ecken der späten 60er und frühen 70er Jahre, als Musiker begannen, nicht nur die Ohren, sondern auch die Augen ihrer Fans zu erobern. Hier betritt der Glam Rock die Bühne - mit einem Augenaufschlag und Glitzer im Gesicht. Oder war es umgekehrt? Dieses Genre war mehr als Musik; es war eine Szene, die durch ihre Theatralik, schrille Kostüme und extravagantes Make-up charakterisiert wurde. David Bowie, mit seiner persona Ziggy Stardust, führte das Ballett der Exzentrik an, gefolgt von Bands wie T. Rex und The Sweet, die bewiesen, dass man ein Mikrofon ebenso gut wie eine Gitarre schwingen kann.
Es war eine Zeit, in der Männer Stiefel trugen, die höher waren als die Wolkenkratzer in Manhattan und die Hosen enger als die Haut einer Tomate. Der Glam Rock spielte mit Androgynität und schockierte das damalige Mainstream-Publikum, wobei die Musik stark von gut strukturierten Melodien, buntgemischten Harmonien und virtuosen Gitarrensoli geprägt war. Man könnte fast sagen, die Bühnen waren nicht beleuchtet, sie glitzerten.
Die Mähnen wachsen lassen: Von Lederjacken zu Spandexhosen
Mit dem Niedergang des Glam Rock gegen Ende der 70er nahmen die Dinge eine haarige Wendung. Die Bands begannen, ihre Haare länger und ihre Gitarrenriffs härter zu pflegen. Damit war der Grundstein für den Hair Metal gelegt, jenes Genre, das die 80er Jahre in eine Ära des Lärms, des Lachens und der Lederhosen verwandeln sollte. Bands wie Mötley Crüe, Poison und Bon Jovi fanden ihren Weg in die Herzen - und auf die Plattenteller - des Publikums. Ihre Formel war ebenso einfach wie genial: eingängige Hooks, kraftvolle Balladen und die Art der selbstbewussten Männlichkeit, die nur durch das Tragen von hautengem Leder und Leopardenmuster erreicht werden kann.
Das Musikvideo wurde zum Vehikel dieser neuer Ästhetik: Mehr Haarspray als ein Beauty-Salon und Soli, die länger und dramatischer waren als jede Seifenoper. Der Hair Metal war in seiner Essenz Glam Rock, der das Gymnasium besucht und sich in den Gewichtheber verliebt hatte. Man streifte die subtile Kunstfertigkeit des Glam Rock ab und ersetzte sie durch das Bombastische. Die visuelle Präsentation war ausgereifter und - wenn möglich - noch theatralischer, das Make-up wurde durch schweißbandähnliche Stirnbänder ersetzt, aber die Botschaft blieb dieselbe: Rock 'n' Roll ist hier, um zu schockieren und zu verführen.
Die Ballade der Power-Balladen: Herzschmerz mit Haarlack
Im Gegensatz zu den oft düsteren und introspektiven Tönen des späteren Rock, bot der Hair Metal eine Art eskapistische Romantik. Jede Mähne im Wind, jede zerrissene Jeans war ein Versprechen von Freiheit - oder zumindest einer guten Zeit. Nicht zu vergessen, die Power-Balladen, die so klebrig waren, dass man befürchten musste, in ihnen festzustecken. Diese Lieder - oft über Liebe, Verlust und die unvermeidbare Einsamkeit des Rockstars - schafften etwas Einzigartiges: Sie ließen gestandene Männer mit zu viel Eyeliner traurige Liebeslieder singen, ohne auch nur ein wenig an Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Es ist nicht zu leugnen, dass Hair Metal in seiner Blütezeit eine Formel gefunden hatte, die funktionierte. Es waren nicht die progressiven, politisch aufgeladenen Texte des Rock der 60er oder der Punk-Attitüde der 70er, die die Massen anzogen, sondern ein kokettes Augenzwinkern, gepaart mit einem Gitarrensolo, das sich anhörte, als hätte es das Ziel, die Gesetze der Physik zu brechen.
Der Verfall der Lockenpracht: Grunge als Party-Crasher
Wie bei jeder anständigen Party gab es einen Moment, in dem das Licht angeknipst wurde und die Illusion eines makellosen Daseins mit der Realität kollidierte. Dieser Moment kam für den Hair Metal in Form des Grunge, der unangemeldet und in zerrissenen Jeans in die glitzernde Glam-Szene platzte. Bands wie Nirvana und Pearl Jam hatten wenig Interesse am prätentiösen Gehabe des Hair Metal. Anfang der 90er war klar: Der Schwung der Mähne wich dem Nicken des Kopfes, der glänzende Spandex den ausgeblichenen Flanellhemden. Der Hair Metal taumelte und fiel schließlich von der Bühne der Musikgeschichte, während der Grunge die neuen Saiten zupfte.
Die unendliche Zugabe: Das Revival
Wie bei jeder guten Rockgeschichte endet auch diese nicht mit dem letzten Akkord. Obwohl Hair Metal seine goldene Ära hinter sich gelassen hat, gibt es bis heute eine treue Anhängerschaft und zahlreiche Revival-Konzerte. Die Bands touren weiterhin, die Mähnen sind etwas dünner, aber die Riffs sind immer noch laut. Hair Metal lebt weiter, in der Nostalgie jener, die in den 80ern jung waren, und in der Neugier jener, die sich fragen, wie viel Haarspray eine Frisur wirklich aushalten kann.
So haben wir gelernt, dass Rock 'n' Roll niemals stirbt – er bekommt manchmal nur graue Haare. Und genau wie das Comeback einer legendären Rockband, wird auch der Glamour des Rock immer wieder seine Wege zurück auf die Bühne und in unsere Herzen finden.