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Das US-Wahlsystem erklärt: Von Vorwahlen bis zur Amtseinführung

Thema: Alltag

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Die große amerikanische Talent-Show: Präsidentschaftskandidaten-Casting


Das US-Wahlsystem zu verstehen, ist ungefähr so, wie ohne Vorkenntnisse den Plot einer Telenovela aufzulösen – man folgt den Verwicklungen, erahnt Drama und irgendwo dazwischen blitzt plötzlich ein Verständnis auf. Beginnen wir mit dem ersten Akt: den Vorwahlen, auch bekannt als die nationale Version von "America's Got Political Talent". Hier wird gesiebt, geschüttelt und gelegentlich gelächelt, während sich Kandidatinnen und Kandidaten in einem komplexen System von Primaries und Caucuses darum bemühen, die Nominierung ihrer Partei zu erringen.

Das ist so, als wäre jeder Staat ein eigenes kleines Königreich mit eigenen Regeln. Manche Staaten wählen wie bei einem normalen Wahlgang, andere versammeln ihre Bürger in Schulsporthallen, wo sie durch Herumstehen ihre Präferenzen zeigen – das praktische Äquivalent zu "Wer dafür ist, geht in die Ecke!". Spannend wird’s, weil die Reihenfolge dieser Wahlen die Chancen beeinflussen kann. Iowa, das harmlos wirkende Agrarland, wird plötzlich zum Epizentrum des politischen Erdbebens. Wer hier gewinnt, rattert mit ordentlichem Schwung die mediale Hüpfburg hinunter.

Das Super-Wähl-O-Rama: Delegierte und das Elektorat


Geschafft? Nicht ganz. Nachdem im ganzen Land abgestimmt wurde, kommt das große Finale der Parteien – die Nominierungskonvente. Hier würden Sie die Delegierten treffen, eine spezielle Gruppe von Parteimitgliedern, die oft mehr Rollenwechsel durchmachen als ein Theaterensemble. Sie sind das Bindeglied zwischen Wählerwillen und offizieller Nominierung. Manchmal sind sie frei in ihrer Entscheidung, manchmal gebunden an das Wahlergebnis, immer aber wichtig für die Dramaturgie.

Schließlich wird es ernst: Der November naht und die Präsidentenwahl steht an. Und hier kommt das Elektorat ins Spiel. Wen? Das Elektoral-Kollegium, eine Institution, die wohl extra dafür entwickelt wurde, um die Stirn in ernsthafte Falten zu legen. Jeder Staat hat eine gewisse Anzahl von Elektoren, die widerum abhängig von der Bevölkerungszahl des Staates ist. Die meisten Staaten verfahren nach dem "The Winner Takes It All" Prinzip – wer die Mehrheit der Stimmen auf sich vereint, bekommt alle Elektorenstimmen des Staates.

Game of Votes: Wenn es zur Hängepartie kommt


Einige Präsidentschaftswahlen gleichen einem epischen Spiel ohne klare Regeln, wo die letzte Folge mit einem Cliffhanger endet. Nehmen wir die Wahl 2000 als Beispiel. Hier landeten wir in einem Drehbuch, das selbst George R. R. Martin für zu konfus erklärt hätte. Florida wurde durch fehlinterpretierte Stimmzettel und Gerichtsdramen zu einem Synonym für Wahlchaos. Gezählt, nachgezählt und nochmal gezählt, bis das Oberste Gericht sagte: "Cut! Wir haben genug gefilmt."

Das Volkszählen kann also durchaus zum Nervenspiel werden, insbesondere in einem System, das „Swing States“ hervorbringt - jene wankelmütigen Staaten, die mal hierhin, mal dorthin tendieren und damit das Zünglein an der Waage spielen. Eine Handvoll Stimmen in Pennsylvania oder Ohio und das Schicksal des Landes nimmt eine neue Wendung.

Inauguration Day: Die Krönung ohne Krone


Kommen wir nun zur majestätischen Zeremonie nach all dem politischen Tauziehen: die Amtseinführung. Zwar gibt es keine Krönung und niemand schwingt ein Zepter, aber die Pompösität bleibt der britischen Königshaus-Inszenierung kaum etwas schuldig. Der gewählte Präsident schwört auf die Verfassung und tritt offiziell seinen Dienst an. Das passiert stets am 20. Januar, da bleibt man traditionsbewusst – ein Fünkchen Beständigkeit in dem sonst so aufgewühlten Wahlmeer.

Als Zuschauer darf man sich von patriotischem Tam-Tam, konfettibesetzten Paraden und feierlichen Bällen berauschen lassen. Eines ist sicher: So anstrengend die vorherigen Akte auch waren, die Amtseinführung ist der Moment, in dem all die Emotionen, Anspannungen und Hoffnungen in einer kollektiven US-amerikanischen Ausatmung münden.

Und nun?


Wissen um das US-Wahlsystem vermittelt nicht nur, wie die mächtigste Person im Land gewählt wird, es bringt auch etwas mit, was man als bipolares Staunen bezeichnen könnte. Faszination und Kopfschütteln halten sich die Waage. Und das ist, wenn man so will, ein Merkmal der US-amerikanischen Demokratie: niemals langweilig, immer etwas verwirrend und absolut einzigartig.
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